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Gedichte von Chen Li

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[INHALT]

Diktatoren¡]¿Wµô¡^     Ein Erinnerungsphoto: Das Standbild der Bunong¡]¬ö©À·Ó¡G¥¬¹AÀJ¹³¡^

Regenzeit¡]¾Ôª§¥æÅT¦±¡^     Eine Krieg-Symphonie¡]¾Ôª§¥æÅT¦±¡^¡÷ mit einer Animation des Gedichts

Am Rande einer Insel¡]®qÀ¬Ãä½t¡^     Massen¡]¸sÅé¡^     Die Wand¡]Àð¡^     der Nachtfisch¡]©]¶¡³½¡^

Die Zunge¡]¦ÞÀY¡^     Das schwarze Schaf¡]¶Â¦Ï¡^      Mikrokosmen¡]¤p¦t©z¡^     Eindruck des Meeres¡]®üªº¦L¶H¡^

Geliebte¡]±¡°ü¡^     Winterreise hören in der Frühlingsnacht¡]¬K©]Å¥¥V¤§®È¡^     Diktatur¡]¿Wµô¡^

Briefe aus Taiwan: Chen Li und die Grammatik der Unterdrückung¡]von Kristina Bier¡^

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Chen Li
geboren 1954 in Hualian auf Osttaiwan, wo er auch heute noch lebt. Englischstudium in Taiwan,
als Lehrer tätig. Schreibt Lyrik, Essays und Kritiken. Er ist ebenfalls als Übersetzer und als Organisator
von Lyrikfesten tätig. Seine Gedichte setzen sich oft mit dem Los seiner Heimat auseinander.
Er gilt als einer der innovativsten und aufregendsten Dichter schreiben in chinesischen heute angesehen.
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Diktatoren 

Sie führen die Gesetze aus nach Lust und fälschen die Grammatik. 

Sie sind es gewohnt, den Singular im Plural zu gebrauchen.
Das Objekt gerät ihnen zum Subjekt. 

In der Jugend sehnten sie sich nach dem Futur,
im Alter sind sie versessen auf die Vergangenheitsform
. 

Keine Notwendigkeit für eine Übersetzung,
s
ie lehnen einen Wechsel ab. 

Fest steht der Satzbau,
f
est steht der Satzbau,
fest s
teht der Satzbau. 

Das einzig transitive Verb lautet niederhalten.

(1989)
Übersetzung:
Wolfgang Kubin

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Ein Erinnerungsphoto: Das Standbild der Bunong

Ich weiß nicht, ob Rodin, als er „Die Bürger von Calais¡§ schuf,
sie
im Auge harte und von ihnen sich zu erheben verlangt hätte. Neun Anhänger
des Stammes der Bunong, neun hartköpfige Steine, in Reih
und Glied vor dem Polizeirevier.
In Eisen gekettet an Händen und Beinen, nicht an ihrer Seele
.
Wenn die große
Axt fällt und ihre Köpfe zu Boden fallen, wird ein jeder
zu einem anderen Stein. Ihr Rumpf wird immer noch ein
Standbild sein.
Aufrecht auf eigenem Boden. Jetzt
sitzen sie da und erwarten
das Urteil, erwarten die Hand der Machthaber, die sie
unsterblich formt:
Lamata Xianxian vom Clan der Yikanuo und seine vier Söhne,
Taluomu vom Clan der Kengtou und seine drei Brüder. (Selbst
seine Mutter
hatte er erschlagen, die ihm unter japanischem Druck zur
Aufgabe riet.)
Ihre Augen schauen nach vorn, in ihre Gesichter ist geschnitten bei ungleicher Aussprache
das W
ort der Bunong für Würdig¡§: Würdige Trauer,
würdige
Apathie, würdige Freiheit ... Sie sind Steine, vom Himmel gegeben.



Der D
ichter hrt ein Foto von neun Gefangenen an. Diese, Ureinwohner von Taiwan, hatten am 19. September 1932
in der Präfektur Taidong drei Polizisten
der japanischen Besatzungsmacht (1895-1945) getötet und waren ergriffen word
en.

(1993)
Übersetzung:
Wolfgang Kubin

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Regenzeit 

Soldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldat
Soldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldat
Soldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldat
Soldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldat
Soldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldatsoldat

 

Sold
atsoldatsoldatsoldatpengsoldatsoldatsoldatsoldatping
P
engpengpengpingpengpengpengpingpengpengpengping
Pingpengpengpingpengpengpingpengpengpingpengpeng
Pingpingpengpingpingpingpengpingpingpingpengping
P
engping   pengping   pingpeng   pingpeng   peng ping peng
Peng
          ping                    ping                                 peng
 
Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab
Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab
Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab
Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab
Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab Hügel Grab

(1995)
Übersetzung:
Wolfgang Kubin

Der Dichter merkt zu dem Spiel mit dem chinesischen Schriftzeichen bing (§L , Soldat) an: Nimmt man einen Strich,
ob links oder rechts, vom unterenTeil des Zeichens weg, erhält man die Zeichen ping (
¥â)  bzw. pang (¥ã).
Beide stehen lautmalerisch für einen Gewehrschuss. Isoliert man den oberen Bestandteil des Zeichens für Soldat,
so liest man das Zeichen für Hügel (q
iu: ¥C
).

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D. Ü.: Pingpang ist im Sinne von Pingpong auch Tischtennis. Ebenso ist qiu ist als Sandhügel bzw. Grab in den Hügeln mehrdeutig.
Das graphisch gestaltete Gedicht, das seriell 16 Verse mit 25 Schriftzeichen enhält, wurde auf jeweils fünf Verse gekürzt.

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 Eine Krieg-Symphonie

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¡ôAnimation des Gedichts und Rezitation


(1995)

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Am Rande einer Insel 

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Auf einer Weltkarte im Maßstab 1:40000
ist unsere Insel
ein unvollkommener gelber Knopf,
lose auf blauer
Uniform.
Meine Existenz
ist nun ein durchsichtiger Faden.
Dünner als ein Spinnen
netz geht er durch mein Fenster mit Meeresblick,
um mit aller Macht die Insel un
die See zusammen zu nähen.
 
Am Rande einsamer Jahre
, in der Falte, da sich
neue Jahre, alte Jahre ablösen,
kommt mein Gemüt einem
Album mit Spiegeln nahe,
kalt ist es erstarrt in den Wellen der Zeit.
Durchbl
ättert man das Album, erblickt man Seite für Seite
verschwommene Vergangenheiten, die he
ll aufblitzen in den Spiegeln. 

Ein anderer geheimer Knopf
ist dir wie ein unsichtbares Tonbandgerät an die Brust g
eheftet.
Deine und der Menschheit Erinnerung
wird immer wieder aufgezeichnet und abgespielt,
ein Tonband mit Liebe und Hass, Traum und Wirklichkeit,
Kummer und Leid.
 
Was du jetzt hörst, ist die
Stimme der Welt,
das Herzklopfen von dir, von allen Toten
und Lebenden.
Wenn du mit dem Herzen rufst,
werden alle Toten und Lebenden deutlich
mit dir zu sprechen beginnen.
 
Am Rande der Insel
, zwischen Schlaf
und Wachsein,
fasst meine Hand meine Exi
tenz wie eine Nadel,
die durch einen gelben Kno
pf hrt, von den
Inselbewohnern blank
gerieben, sie sticht mit aller Macht
ins H
erz der Erde hinter der blauen Uniform.

(1993)

Übersetzung: Wolfgang Kubin

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Massen

Einzeln wie ein Stottern
Der, der, der
Das zieht sich an wie 

Staub 

Wasser
Das ihn bindet 

Feuer
Das ihn brennt 

Was fließt, wird Form
Was stirbt, entsteht 

Die Erde, alles in allem

(1989)
Übersetzung: Peter Hoffmann, Jürgen Ritter und Vera Schick 

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Die Wand 

Sie hört uns weinen
Sie hört uns flüstern
Sie hört wie wir an den Tapeten kratzen
Angstvoll suchen nac Verlorenem
Ein Atmen, Schnarchen, Husten
Das riesig wird und so noch nie gehört
 

Die Wand, sie ist ein Ohr
Die Wand führt stummes Protokoll
 

Dem Nagel
Fehlt der Mantel, Schlüssel, Hut
Im Riß
Verzahnt sind Liebe, Tratsch und Streit

 

Da hängt die Uhr
Da hängt der Spiegel
Da hängt verlorener Tage Schatten
Abdruck von geträumtem Kuß

 

Von uns das Maß
Die Schwere
Und das Schweigen

 

Die Wand, sie ist ein Ohr
Riesig vor der Ohnmacht unseres Daseins

(1990)
Übersetzung: Peter Hoffmann, Jürgen Ritter und Vera Schick

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der Nachtfisch

nachts wurde ich Fisch
ich habe nichts mehr und bin plötzlich reich und frei
amphibisch
 
Nihilismus? ja
so nihilistisch wie das grenzenlose All
ich schwimme durch eine Nacht
noch feuchter und dunkler als deine Vagina
bin überall zuhause
 
ja, das All ist meine Stadt
gleich wo ich hinunterschaue
von welchem städtischen Schwimmbad auch immer
ist Europa bloss
ein verschrumpelter Klumpen Schweinefleisch
Asien gleicht
einer kaputten Teeschale neben einem stinkenden Kanal
 
voll von eurer leeren
süssen Zuneigung sei sie
füllt sie mit dem abgekochten Wasser eurer Ethik und Moral

füllt sie mit eurem Badewasser, das alle zwei Tage erneuert wird
 

ich bin ein Habenichts und auch ein Fürchtenichts
als amphibisches Wesen
niste ich im endlosen Raum
niste in deinen täglichen nächtlichen Träumen
 
Wind und Regen trotzend bade ich mich

 lässig schwimm ich über deinen Himmel
schwimme durch alle deine Existenzen
denen du nicht entrinnst 

rühmst du dich noch immer deiner Freiheit?

komm, versetze dich in diesen Fisch
diesen Raum-Fisch, der plötzlich reich ist und frei
weil du ihn verlassen hast
 

(1994)
Übersetzung:
Rupprecht Mayer

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Die Zunge 

Ich hab ein Stück meiner Zunge in ihr Federkästchen getan. Jedesmal, wenn sie es aufmacht, um ihrem neuen Geliebten
 zu schreiben, hört sie mein Gestammel, das einer Reihe krakeliger Schriftzeichen gleicht und von Komma zu Komma
dem Kratzen ihres frisch gespitzten Stiftes folgt. Sie hält inne. Sie weiß nicht, dass es meine Stimme ist, sie meint, dass
ich für immer verstummt sei nach den Worten, die bei unserem letzten Treffen an ihr Ort gedrungen sind. Sie schreibt
noch eine Zeile und entdeckt dann, dass ihr das Schriftzeichen
·R (ai, „Liebe¡§), mit seinen vielen Strichen nicht schön
geraten ist. Sie greift sich meine Zunge, die sie für einen Radiergummi hält, und radiert und radiert voller Kraft auf
dem Papier herum, bis ein Blutfleck auf der Stelle zurückbleibt, wo vorher das Zeichen
·R war.

 (2000)
Übersetzung:
Rupprecht Mayer

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Das schwarze Schaf 

Der jüngste, der das Gymnasium geschmissen hat und sich seither herumtreibt, ist das schwarze Schaf unter uns drei
Brüdern, obwohl er ein grünes Drachen-Tattoo auf dem Schenkel hat, und sein Herz so weich ist wie das seiner Mutter.
Mutter fährt ihr Leben lang mit dem Rad zur Arbeit und zahlt ihr Leben lang seine Schulden ab. Sie hofft immer  noch,
ihr Jüngster möge auf den rechten Weg zurückfinden. Mehrere Motorräder hat sie ihm schon gekauft. Auch Autos, und
sie sind alle verschwunden. Nun hat sie erneut hinter meinem Rücken Kredit aufgenommen, um ihm einen Wagen zu kaufen.
Der Wagen ist weiß, weiß wie Morgennebel im Winter. An jenem Morgen kam ich wieder in die Shanghai-Straße
und sah, wie sie sich mit einem Putzlappen an das geparkte Auto heranschlich und es sanft und kraftvoll polierte, als
wolle sie ein schwarzes Schaf weiß reiben. Rieb und rieb. Sie wusste, dass das  weiße Auto bald von der Bildfläche
verschwinden würde, und musste dem schwarzen Schaf ein weißes Fell nähen, bevor es erwachte.

 (1996)
Übersetzung:
Rupprecht Mayer

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Mikrokosmen

53 Dreizeilengedichte

 1
im Mondlicht, das
zwischen zwei Hochhäuser sickert
spült er die Fernbedienung

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¥Î¨â´É¤j¼Ó¤§¶¡
º¯³z¥Xªº¤ë¥ú

2
schnelles Abwärts-Glissando:
jemand hat am Fenster meiner Kindheit
eine Leiter angelegt

§Ö³t¦Ó¤U¦æªº·Æ«µ¡G
¦³¤H¦b§Úµ£¦~ªºµ¡¤f
©ñ¤F¤@§â±è¤l


3

was soll ich sonst sagen zu dem Schmetterling

der sich auf einem Baugerüst in der Innenstadt niedergelassen hat

ausser: ah, ah
 

¹ï©ó¾n¨¬¦b¾x°Ï¤u¦aÆN¬[¤Wªº
½¹½º¡A§Ú¯à»¡¤°»ò¡H
°£¤F°Ú¡B°Ú¡K¡K

4
der Fernseher lud mich zu sich hinein
da entdecke ich auf meinem verlassenen Sessel
einen blattlosen metallenen Baum
 

¥¦ÁܽЧڶi¤J¹qµø¾÷
¦b§ÚÂ÷¶}ªº®y¦ì¤W
§Úµo²{¤@´Ê¨S¦³¸­¤lªºª÷Äݾð

5
ein Hubschrauber kreist um die Dämmerung:
oft greifen wir nach der Stromleitung
und warten darauf, die Drachen unserer Jugend zurückzuholen
 

¶µÛ¶À©ü±ÛÂ઺ª½¤É¾÷¡G
§Ú­Ì±`±`§ìµÛ¤@±ø¹q½u
µ¥­Ô©Ô¦^«C¬Kªº­·ºå

6
sie hebt die blaue Haut des Wassers an
und zeigt uns, verborgen im Schatten des Meers
die Wachstränen, die wir verloren

¦o±È°_ÂŦ⪺¤ôªº¦Ù½§
Åý§Ú­Ì¬Ý¨£¡AÂæb®üªº³±¼v¸Ì
§Ú­Ì¿ò¥¢ªºÀë²\
 

7
ich warte, ich sehn' mich nach dir:
ein Würfel im leeren Becher der Nacht
will seine siebte Seite zeigen
 

§Úµ¥­Ô¡A§Ú´÷±æ§A¡G
¤@²É»ë¤l¦b©]ªºªÅ¸J¸Ì
¥ø¹ÏÂà¥X²Ä¤C­±

8
das Leben des Menschen
flüchtig wie Morgentau
und dennoch: nichts gegen die Sonne
 

´ÂÅSªº¤H¥Í¡A´ÂÅSªº
¤H¥Í¡AµM¦Ó¡AµM¦Ó
¨º·ÓµÛªº¶§¥ú¬O¦nªº¡K¡K

9
Bartok, Balzac,
immer wieder hämmern Rachen und Zunge
diese einfache kraftvolle geheime Depesche
 

¤Úº¸¦«§J¡A¤Úº¸¤ã§J¡G
§Ú¤ÏÂХγï¦ÞºV¥X
³o´X­Ó²µu¦³¤Oªº¯µ±K¹q¤å

10
Grossereignis eines öden Wintertags:
ein Klümpchen Ohrenschmalz
landet am Schreibtisch
 

±I¹é¥V¤é¸Ìªº­«¤j
¨Æ¥ó¡G¤@¶ô¦Õ«Ë
±¼¸¨¦b®Ñ®à¤W

11
wie Eis am Stiel, das aus den Mundwinkeln eines
Traums geschmolzene
Lächeln einer Sommernacht
 

¦B´Î¯ë¡A¦Û¹Úªº¼L¨¤
·»¤Æ¶}¨Óªº
®L©]ªº·L¯º

12
Tränen sind Perlen, nein, Tränen sind
Silbermünzen, nein, Tränen sind
abgefallene Knöpfe, von neuem anzunähen

²´²\¹³¬Ã¯]¡A¤£¡A²´²\¹³
»È¹ô¡A¤£¡A²´²\¹³
ÃP¸¨«áÁÙ­nÁ_¦^¥hªº¶s³§

13
wer sich die Medaillen des Sommers und Herbstes verdient hat
kann sich im Alter nicht verweigern
dem Wintersportfest in Eis und Schnee und Staub
 

°tÀ¹®L»P¬îªº¼úµP
¦Ñ¦~¡AµLªk©Úµ´
¦B³·¹Ð¤gªº¥V©u¹B°Ê·|

14
ein kleiner Wasserfall hängt am Berghang
schmal und leise
ein kleiner Wasserfall erfrischte eine ganze Nacht
 

¤@±ø¤pÂr¥¬Äa±¾¦b¤s¸y³B
¤ô²ÓÁn¤p
¤@±ø¤pÂr¥¬²M²D¤F¾ã­Ó©]±ß

15
der flugbereite Strommast könnte
zum Räucherstäbchen werden
bei Kurzschluss
 

·Q­¸ªº¹q½u±ì¦³¥i¯à¦¨¬°
¤@¬W­»¡A¦pªG
¹q½u¨«¤õ

16
Liebeslogistik: Augenampeln
Zebrastreifenherzen, im Brandfall
Eifersuchtslöschfahrzeugschaos
 

·R±¡¹B¿é¾Ç¡G²´·úªº¬õºñ¿O
¤ßªº´³°¨½u¡A¦]¥¢¤õ¦Ó
¥æ³q¤j¶Ãªº¶ú§ªªº®ø¨¾¨®

17
eine Formation, die dem Tod salutiert:
spazierende Schuhe, arbeitende Schuhe, schlafende
Schuhe, tanzende Schuhe

¦V¦º¤`­P·qªº¤À¦C¦¡¡G
´²¨Bªº¾c¤l¤u§@ªº¾c¤lºÎ¯vªº
¾c¤l»RÁЪº¾c¤l¡K¡K

18
in stahlkalter Nacht
der Beat kollidierender Leiber
Funken schlagend für ein Feuer
 

´H§N¦pÅKªº©]¸Ì
¤¬¬Û¼²À»¡B¨ú¤õªº
¦×Å骺ºV¥´¼Ö

19
ein Handschuh gibt einem Handschuh die Hand
drinnen, käsegleich
immer undeutlicher unsere gedrückten Gesichter
 

¤â®M©M¤â®M´¤¤â
¦b¸Ì­±¡A¨Å¹T¯ë
·UÀ½·U¼Ò½kªº§Ú­ÌªºÁy

20
alles Leid einer Nacht
wird tagsüber zu goldenen Ähren, erwartend
die nächste leidvolle Nacht, die sie erntet
 

©Ò¦³©]±ßªº¼~¶Ë³£­n¦b¥Õ¤é
Âনª÷¶Àªº½_ÁJ¡Aµ¥­Ô
¥t¤@­Ó¼~¶Ëªº©]±ß¦¬³Î

21
im grossen Labyrinth dieser chaotischen Welt
ist das einzige, was vielleicht vor dem Irregehen schützt
die kleine Landkarte deines Körpers
 

¦b¥¨¤j²V¶Ãªº¥@¬É°g®c
°ß¤@¾ÌÂǤ£¦Ü©ó¨«¥¢ªº¡A¤]³\¬O
§Aµ¹ªº¤p¤pªº¦×Å骺¦a¹Ï

22
Gras oder Rost? was läuft schneller?
fragt einer mich nach dem Frühlingsregen
beim alten Gleis
 

¡u¯ó©MÅKù×½Ö¶]±o§ó§Ö¡H¡v
¬K«B«á¡A¼o±óªºÅK¹D®Ç
¦³¤H°Ý§Ú

23
nachdem er wieder und wieder den Weltrekord brach
stösst unser einsamer Kugelstosser
mit Wucht seinen Kopf weit weg
 

¦b¤£Â_¥´¯}¥@¬É°O¿ý¤§«á
§Ú­Ì©t±Iªº¹]²y¿ï¤â¡A¤@Á|
§â¦Û¤vªºÀYÂY¥X¥h

24
das Weiss der Haut macht ein Muttermal
zur Insel: ich sehne mich nach dem weiten Wellenglanz
des Meeres unter deinem Kleid
 

¤@Áûµi¦]¦×Å骺¥Õ
¦¨¬°¤@®y®q¡G§Ú·Q©À
§A¦çªA¸Ìªi¥ú¸U³¼ªº®ü

25
immer wieder schneidendes Gelächter
zehntausendfachen Schmerz will sie mit Kaiserschnitt gebären
keine Verrückte, dramatischer Sopran
 

¦o¤£¬OºÆ°ü¡F¦o¬O
¤@¦¸¦¸¥ø¹Ï¥Î¾U§Qªº¯ºÁn­å¸¡
¥Í¥X¤d¤d¸Uµh­WªºÀ¸¼@¤k°ª­µ

26
Sandalen zu jeder Jahreszeit: siehst du's

von meinen Füssen geschrieben, wandernd über die Tafel, den Staub

das freie Gedicht?
 

²D¾c¨«¥|©u¡G§A¬Ý¨ì¡X¡X
½ñ¹L¶ÂªO¡B¦Ç¹Ð¡A§Úªº¨â°¦¸}
¼gªº¦Û¥Ñ¸Ö¶Ü¡H

27
ich bin ein Mensch
Einwegfeuerzeug
in einer dunklen Welt
 

§Ú¬O¤H
§Ú¬O«Õ·t¤Ñ¦a¤¤
¥Î§¹§Y¥á±óªº¤@²É¥´¤õ¾÷

28
ungestüme Liebe schlug frohe Wunden
ich hab fünf Schachteln Grapefruitschweiss vergossen
bei dir sind einundzwanzig Haare entzwei
 

¿E¯Pªº·R±a¨Óªº´r§Öªº¶Ë¤`¡G
§Ú¬y¥¢¤F¤­½c¸²µå¬cªº¦½¥Ä
§A§éÂ_¤F¤G¤Q¤@®ÚÀY¾v

29
ich mag die Einkaufstüten, die du dagelassen hast
ich packe neue Haikus hinein, Zitronenkuchen
und Bergstimmungen nach dem Regen

§Ú³ßÅw§A¯d¤U¨ÓªºÁʪ«³U¡G
§Ú¥Î¥¦¸Ë·s¼g¦nªº­Ö¥y¡AÂfÂc»æ
«B«á¤s¦â
 

30
ein hartgesottenes Weichtier
wohnt in der Hose, geht oft aus dem Haus zum Demonstrieren:
aufgeblasene, hochfahrende Nacktschnecke du

¦ºµw¬£ªº³nÅé°Êª«¡G
±H©~¦b¿ÇÃ˸̡A¤£®É¥X¨Ó¥Ü«Â
³x±jªº¤@°¦µL´ß½½¤û

31
Ehe-Saga: die Einsamkeit eines Schranks plus
die Einsamkeit eines Schranks ergibt
die Einsamkeit eines Schranks.
 

±B«Ãª«»y¡G¤@­Ó¦çÂdªº±I¹æ¥[
¤@­Ó¦çÂdªº±I¹æµ¥©ó
¤@­Ó¦çÂdªº±I¹æ

32
Rondo, mal forte, mal piano:
Wasserklosetts einer imaginären Republik spielen
ihre verschwommene Nationalhymne
 

©¿±j©¿®zªº°j±Û¦±¡G
µêµL¦@©M°êªº©â¤ô°¨±í¤S¦bºt«µ
¥¦­Ì§t½k¤£²Mªº°êºq¡K¡K

33
Wettsingen:
die null Jahre alten alten Zikaden

bringen den null Jahre alten jungen Zikaden "Happy birthday"
bei

ª§»ï¡G
¢Ý·³ªº¦ÑÂͱТݷ³ªº
¥®ÂÍ°Û¡u¥Í¤é§Ö¼Ö¡v

 
34

zwei Bücher als Kopfkissen, so schlafe ich in schwüler Nacht am Boden

die Knie gekrümmt, die Beine angeln nach Versen
ich bin es selbst, das erste Haiku des Sommers

¥H¨â¥»®Ñ¬°ªE¡AÞP©]®u¦a
¦Óª×¡A©}»L·n½¥³V¥yªº
§Ú¡A¬O¤J®L²Ä¤@­º­Ö¥y

 
35

dieser Zug hat Betriebsstörung: wir hängen völlig in der Luft

zwischen fettleibigen Wolken und
Tagträumen, zu denen die Leitern zerbrochen sind

¦C¨®¬G»Ù¡G§Ú­ÌÄaÌX¦b
ªÎ­DªÎ­Dªº¶³¦·
©MÂ_¤F±èªº¥Õ¤é¹Ú¤§¶¡

 
36

die Reihe bewegungsloser Löschfahrzeuge vor sich
sitzt einer unbeachtet im Teehaus
vis-a-vis der Feuerwehr, innerlich brennend

¤@±ÆÀR¤îªº®ø¨¾¨®¦b¥L²´«e
µL¤H²z·|§¤¦b®ø¨¾¶¤«e­±
¯ùçE¸Ì¡A¨º¤H¤ß¤¤ªº¤j¤õ

 
37

ein Würfel im leeren Becher der Nacht

zeigt seine siebte Seite:
Gott, es gibt dich

¤@²É»ë¤l¦b©]ªºªÅ¸J¸Ì
Âà¥X²Ä¤C­±¡G
¯«°Ú¡A§A©~µM¦b


38

in einem von jungen Leuten frequentierten Teehaus entdecke ich meine Mutter

ich kann es nicht glauben und sehe sie unverwandt an, mein Freund sitzt

mir gegenüber und fragt: nach was für 'ner Puppe guckst du?

¦b¦~»´¤H±`¥hªº¯ùçE¹J¨£§Úªº¥À¿Ë
§Ú¤£´±¸m«H¦a¨nµÛ¦o¡C§¤¦b¹ï­±ªº
¤Í¤H°Ý¡G§A¦b¬Ý­þ­Ó¬ü¬Ü¡H

 

3
9
sie lauscht und lauscht am andern Ende der Leitung
chläft ein und lässt mich gefangen zurück
in den Drahtspulenschichten ihres Atems

¦o¦b¹q¸Ü¥t¤@ºÝÅ¥µÛÅ¥µÛ
ºÎµÛ¤F¡A¯d¤U§Ú¤@­Ó¤H
²_³´¦b¦o¼h¼h©I§lªº½u°é¸Ì

 
40

wie geschickt die Bedienung doch aufträgt und abräumt
nur deinen klebrigen Blick bemerkt sie nicht
der nicht so leicht abzuwischen ist von ihren glatten Armen

¨º¤k¨ÍºÝ½L²M®à¦h»´¥©
µ·²@¤£ª¾ÂH¦b¦o¥ú·Æ
Áu»H§A¥Ø¥ú¤§ªo¿°Ãø«ø

 
41

die Insel des Schildkrötenbergs ist eine Schildkröte, sie wandert

langsam übers Meer, macht den Fahrgast zum Hasen, schläfrig vom Blau

des Himmels und des Meeres hat er beim Aufwachen das
Rennen schon verloren

Àt¤s®q¬O¤@°¦Àt¡A®}´å©ó¨®µ¡¥~ªº®ü¤W¡AÅý
µ¡¤ºªº®ÈªÌ¦¨¬°Àt¨ßÁɶ]¸Ì§Ö±¶ªº¨ß¡A¦]²V²c
¤£²Mªº®ü¤Ñ¤§ÂÅ©ü©ü±ýºÎ¡A¿ô¨Ó¹ï¤â¤w¤£¨£

42
Liebesfreud: in der U-Bahn sagt das Handy
ich komme; Liebesleid:
der Anruf wird auf die Mailbox umgeleitet

·R¤§³ß¡G±¶¹B¨®¤W¡A¤â¾÷
»¡§Ú¨ì¤F¡F·R¤§´d¡G
±zªº¹q¸Ü±NÂà¤J»y­µ«H½c

 
43

Astronomen haben den zehnten Planeten im Sonnensystem gefunden

schreibt die Zeitung: endlich entdeckst du am Tisch, weggerollt von fünf Äpfeln und

vier Nektarinen die bittere Birne, mein Geschenk

³ø¯È¤W»¡¤Ñ¤å¾Ç®a«Å¥¬µo²{¤Ó¶§¨t²Ä¤QÁû
¦æ¬P¡G§A²×©óª`·N¨ìÀ\®à¤W¤­ÁûÄ«ªG¡A¥|Áû
¤ô»e®ç¥~¡Aºu±o»·»·ªº¨º¤@Áû§Ú°eªº­W±ù

 
44

ich parke am Strassenrand, betrachte liegend den blauen

Himmel über meiner Nase, auf ihrer Spitze ein Insekt, wie auf
einem Gipfel
für einen Moment ist mein Körper eine Bergkette meiner Heimat

°±¨®¸ôÃä¡Aª×¬Ý»ó¥~²M¼áªºÂŤÑ
¤@°¦¤pÂΦb§Ú»ó¦y¡A§Ï©»¦b®p³»
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45

nach dem Aufstehen wandert kühles glibberiges Tofu Stück für

Stück in den Mund, ein ganzes Zünglein nach dem anderen:
Liebesgeflüster, das nie verdirbt, ein Zungenkuss
 

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Tag um Tag - Fäden aus Salzkörnern zerrissener Netze
musikalische Fäden aus alten Wunden, Stich für
Stich, Stern um Stern vernäht zur heutigen Nacht

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was ist das Grösste? das All? der Kaiser? Gott?
der Tod? BH-Schalen der Grösse G? Essen?
ich mach jetzt erst mal ein grosses Geschäft

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als die Götter die Menschenwelt passierten, da bekamen sie Lust
ausgelassen zu tanzen; zu hoch ihre Stöckelschuhe

das Wüten des Erdbebens zu ihren Füssen konnten sie nicht sehen
 

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Mutter meinte an Neujahr essen wir draussen, mit meinem Bruder

der nur für ein paar Tage kommt; wir assen draussen und sahen

vor dem Fenster leuchtendes Gras und Wolken am Himmel

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schiefe Metaphern, unethische
Ethik: der Gedichte
gütige Liebe

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gib dem Tod ein Zimmer mit Frühstück
in deiner Hosentasche, koste Neugier und Furcht aus
doch nur Probebetrieb, melde die Pension nicht an

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wir verstricken uns immer mehr in die Form des Gedichts

während die Welt sich immer chaotischer aufbaut, wie der
Turm von Babel
wir stützen durch Erfindung ein schiefes Buch

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ich möchte die Form meiner Gedichte verkleinern, kleiner
als eine Diskette, aber größer als die Welt, ein
Mikrokosmos, der kopiert werden kann, und ersetzt

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(1993)

Übersetzung:
Rupprecht Mayer

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Eindruck des Meeres 

verwickelt immer in ein riesiges schamloses Bett
diese zügellose Frau den ganzen Tag
mit ihrem Vagabund
mit einer großen wasserblauen Decke mit weißen Spitzen
drängeln
                  hin
drängeln
                  her

(1974)
Übersetzung: Jörg Liu

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Geliebte

meine Geliebte ist eine Gitarre mit lockeren Saiten
in deren Gehäuse sich ihr nackter Körper mit glatter Haut versteckt
der auch nicht durch das Mondlicht zu sehen ist

manchmal hole ich sie hervor
nehme sie in den Arm, leicht
streichle ich ihren kalten Hals und Rücken
die linke Hand spannt die Saiten, die rechte prüft den Klang
so verfahre ich solange
bis sie eine richtige Gitarre mit sechs gespannten Saiten ist
die darauf wartet

 

daß das Spiel beginnt, aber
plötzlich
brechen   
 die Saiten

(1974)
Übersetzung: Jörg Liu

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Winterreise hören in der Frühlingsnacht
¡Xgeschrieben an Fischer-Diskau 

Diese Welt ist alt,
ie trägt so schwer an Liebe wie auch an Nichtigkeit;
Auch der Löwe in Deinem Gesang ist alt geworden,
obwohl er es noch immer liebt, unter der Linde der kindheit anzulehnen
und nicht gern einschlafen will. 

Schlaf ist vielleicht gut, wenn
die vergangene Zeit wie Eis- und Schneeschichten
Trauer und Quälerei in der menschlichen Welt bedeckt;
es ist vielleicht gut, daß es im Schlaf Blumen gibt,
wenn das einsame Herz immer noch in der Ode das Grün sucht. 

Frühlingsblumen blühen in der Winternacht,
eiße Tränen sind auf dem Grund des Sees gefroren:
die Welt lehrt uns Hoffnungen, lehrt uns aber auch Enttäuschungen;
Unser Leben ist ein dünnes Papier, das wir nur einmal besitzen.
Es wird von weißem Rauhreif und Staub, Seufzen und Schatten ausgefüllt.
 
Wir träumen auf einem Papier, das sehr leicht reißt;
obwohl es klein und dünn ist, erleichtern wir nicht das Gewicht des Traums.
Wir pflanzen Bäume in weggewischten und wieder weggewischten Träumen.
Doch wenn wir traurig sind,
kommen sie nebenbei zurück.
 

Winterreise
hören in der Frühlingsnacht,
Dein heiserer Gesang ist ein Traum des Traumes,
läßt mich mit Winter und Frühling reisen.

(1988)
Übersetzung: Jörg Liu

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Diktatur

 Sie sind die Juristen, die willkürlich die Grammatik umschreiben: 

Den Singular erheben sie zum Plural,
das Objekt beansprucht die Position des Subjekts. 

Solange sie jung sind, sehnen sie sich nach der Zukunft,
solange sie alt sind, schwärmen sie von der Vergangenheit. 

Unnötig wird jede Übersetzung,
zurückgewiesen jede Veränderung. 

Starre Satzmuster.
Starre Satzmuster.
Starre Satzmuster. 

Das einzige transitive Verb: unterdrücken.

(1989)
Übersetzung:
Kristina Bier

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